Was Beyoncé mit Lisa Müller und Flüchtlingen zu tun hat…

In ihrem neuen Video zum Song Formation liegt Beyoncé im Hochwasser auf einem sinkenden New Orleanser Polizeiauto. In einer anderen Szene steht mit Graffiti an der Wand “Stop Shooting Us”. Beim ihrem Superbowl Auftritt tragen die Backgroundtänzerinnen typische Black Panther Baretts. Und was folgte darauf: ein riesen Shitstorm!
Moment mal. New Orleans? Black Panther? Baretts? Shitstorm? Weswegen denn? Worum geht es hier eigentlich? Und warum sollte das für uns in Deutschland relevant sein?


Beyoncé – Formation (Dirty) .
 

Wohl jeder hat im letzten Jahr mitbekommen, dass viele, zu viele, unbewaffnete schwarze Männer in den USA durch Polizeibrutalität – und das ist noch der harmlose Begriff – ums Leben gekommen sind. Man sah es in den Nachrichten, auf Facebook, und anderen Social Media. Wovon hier jedoch nicht mehr viel gezeigt wurde, sind die Auswirkungen, die die tödlichen Schüsse auf die USA als Nation hatten. Wenn ich bei Facebook online bin, ist meine Seite voll von Artikeln über das Black Lives Matter Movement, Donald Trump, Cultural Apropriation und Co. Ich denke immer, dass jeder weiß, was es damit auf sich hat. Auch hier in Deutschland. So ist es aber nicht; was in keiner Weise ein Vorwurf sein soll. Ich als schwarze Frau werde schneller auf solche Dinge aufmerksam, weil sie mich – wenn auch nur indirekt – betreffen. Dazu kommt, dass ich ein hohes Interesse für American Pop- und Political Culture habe, und ich American Studies und Politik studiere. Dementsprechend habe ich Seiten bei Facebook geliked und Dienste in meiner Favoritenleiste gespeichert, auf denen ich mich tagtäglich über die neusten Ereignisse zu diesen Themen informieren kann. Die Ereignisse begleiten mich sowohl persönlich, als auch akademisch, und manchmal sogar beruflich. So geht es aber selbstverständlich nicht vielen hier.
Denn was hat eine deutsche Lisa Müller aus Buxtehude schon mit dem amerikanischen Black Lives Matter Movement zu tun? Herzlich wenig. Auf den ersten Blick zumindest. Um auf den eigentlichen Punkt dieses Artikels zu kommen, sollte ich aber vielleicht erst einmal in kurzen Worten erklären, worum es bei der Bewegung geht: Nachdem in den USA immer mehr schwarze, junge, unbewaffnete Männer von Polizisten erschossen wurden, kam es zu Protesten der African American Bevölkerung. Sie demonstrierten sowohl gegen die Schießereien an sich, als auch dagegen, dass viele der schuldigen Polizisten nicht verurteilt wurden. Ein Slogan, der auf vielen Protestbanner zu finden war: Black Lives Matter. Schwarze Leben Zählen. Sie wollen so darauf aufmerksam machen, dass es nicht sein kann, dass von Polizisten begangenen Morde an Schwarzen unter den Teppich gekehrt werden. Daraus ist nun eine ganze Bewegung entstanden. Wie Amerika aber nun einmal ist, gab es gleich Stimmen, die verlauten ließen, dass Black Lives Matter rassistisch sei, schließlich zählten alle Leben. Sie kontern mit “White Lives Matter” und “All Lives Matter”.  Natürlich zählen alle Leben. Aber News Flash: Es sind nicht die weißen Männer, die – obwohl sie unbewaffnet sind – mit 17 Schüssen auf offener Straße erschossen werden. Wer mit “Whites Lives Matter” gegen die Bewegung argumentiert, hat Rassismus nicht verstanden und ist teil des ganzen Problems.

© vimeo screenshot

Fastforward zu Beyoncé und ihrem neuen Song Formation. Der Text ist eine Art Homage an die Black Community der USA. Im Video liegt sie auf einem sinkenden Polizeiauto, trägt Cornrows, und ist voller stolz für ihre Black Heritage. Während der Performance des Liedes beim SuperBowl sind ihre Tänzerinnen komplett in schwarz gekleidet. Auf dem Kopf tragen sie ebenfalls schwarze Baretts, so wie die Black Panthers Party – eine schwarze Bürgerrechtsgruppe in den 60ern und 70ern in den USA – um einen Statement zu machen: Wir lassen uns nicht unterkriegen! Eigentlich ein Statement, das Beifall verdient. Eigentlich. Denn was machen die rechten, amerikanischen Medien daraus? “Beyoncé hetzt gegen die Polizei, gehört dem verbrecherischen Black Lives Matter Movement an, und betreibt umgekehrten Rassismus”. Das ist die ungefährer Zusammenfassung. Ich könnte jetzt ausführlich erklären, warum es – schon alleine per Definition – keinen “umgekehrten Rassismus” gibt, aber das würden den Rahmen sprengen. Belassen wir es also einfach dabei.

Zurück zu Lisa Müller aus Buxtehude und der Relevanz dieses Problems für Deutschland. Unser Land macht gerade eine Wandlung durch. (Darf ich überhaupt unser Land sagen?). Konkret gegen Schwarze hat gerade niemand etwas. Aber trotzdem gegen Afrikaner. Und zwar gegen die aus dem Norden. Und gegen die Männer aus dem – wie heißt es so schön? – “arabischen Raum”. (Sidenote: Ich muss immer ein wenig lachen, wenn in den Nachrichten gesagt wird “…die Männer, aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum”. Als wären sie alle gleich, hätten die gleiche Kultur, und Religion, etc.). Ist es gerechtfertigt einzelne dieser Menschen zu verurteilen, weil sie sich nicht an Regeln halten, sich nicht benehmen, und ihre Situation ausnutzen? Ja. Ist es gerechtfertigt alle zu verurteilen, über einen Kamm zu scheren, und sie unmenschlich zu behandeln? Nein.
Unsere Stimmen, Stimmen, die versuchen gegen rechte Idioten zu halten, Stimmen, die erkennen und wissen was Rassismus ist und ihn nicht tolerieren; unsere Stimmen sind das Äquivalent zu den Stimmen des Black Lives Matter Movements in den USA. Indem wir uns nicht unterkriegen lassen, können wir alle Beyoncé sein. Auch Lisa Müller. Hier könnte es heißen Refugees Lives Matter. Oder, um den Formulierungen der Medien gerecht zu werden: North African and Arabic Lives Matter. Und Lisa Müller, die nichts mit den USA zu tun hat, sieht auf einmal wie eine Bewegung aus den Staaten, auf eine etwas anderen Art und Weise, ihr Leben beeinflusst und sie möglicherweise dazu bringt sich für eine Minderheit einzusetzen. In diesem Fall nicht für Schwarze, sondern für Flüchtlinge. Ihre Leben zählen. Noch wurde hier niemand öffentlich erschossen. Noch gibt es keine Toten. Hoffentlich bleibt es so. Sicher sein können wir uns aber nicht. Und wir müssen nicht warten, bis tatsächlich etwas passiert. Jetzt schon: Their Lives Matter! Unsere Stimmen singen Beyoncés Lied: “Now Let’s Get In Formation”.

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